Es ist einfach nicht dasselbe, wenn man in einem europäischen Halbfinale unterliegt oder gegen einen x-beliebigen Gegner in einer längst entschiedenen Meisterschaft. Dennoch gibt es eine Eigenschaft, die immer gleich ist: Bei den wenigen Niederlagen, die der Katalane in seiner Laufbahn hinnehmen musste, nimmt er die Schuld immer auf seine Kappe. Selbst dann, wenn die Niederlage durch individuelle Fehler zustande kam, wie beispielsweise vor einigen Monaten gegen den FC Porto, als alle drei Gegentore so geschahen. Selbst dann beschäftigt sich der Trainer in den Stunden und Tagen danach mit der Suche nach seinen ganz persönlichen Irrtümern und wo sein Anteil an der Niederlage liegt.
Ich glaube, dass er es in diesem Punkt vielleicht ein bisschen übertreibt, denn niemand ist unfehlbar. Manuel Neuer ist, nach einem hervorragenden Reflex, der an die WM 1970 und Gordon Banks gegen Pelé erinnerte, ohne jede Diskussion ein individueller Fehler unterlaufen, sodass Arsenal das 1:0 markieren konnte. Trotzdem ist er ein sensationell guter Keeper – der wahrscheinlich beste Torwart der Gegenwart. Guardiola wiederum möchte in solchen Situationen am liebsten einen Schutzmantel über seine Spieler werfen, fast schon im väterlichen Sinne. So passiert es, dass sich der 44-Jährige in anschließenden Pressekonferenzen äußert, dass er sich selbst die Schuld gibt und eventuelle Fehler nicht hat kommen sehen bzw. nicht vorher schon reagiert hat. Sicherlich macht er das, um seine Schützlinge zu entlasten und lieber sich selbst in den Fokus der negativen Stimmen zu rücken. In jedem Falle will er die Spieler aus der Verantwortung und aus der Schussbahn der Öffentlichkeit nehmen.
Das ist aber längst keine Handlung mit bloßem Kalkül. Vielmehr spiegelt das seinen Charakter wider. Guardiola wurde selbst sehr bescheiden erzogen. Sein Vater war Bauarbeiter und gab seinem Sohn mit, die Verantwortung seiner Arbeit nie auf andere zu abzuwälzen. So kommt es, dass sich der Coach die Verantwortung für das Kollektiv gibt und im Falle einer Niederlage niemandem mehr die Schuld geben würde als sich selbst. Manchmal versuchen seine Freunde Guardiolas selbst gesetzte Messlatte ein wenig herabzusenken, vor allem hinsichtlich der öffentlichen Wirkung, wo jede Aussage immer in unterschiedlichsten Ausprägungen zerpflückt wird. Aber dahingehend wird sich Guardiola nie ändern.
Zum Glück für dieses persönliche Schuldgefühl ist er es nicht gewohnt zu verlieren. Er befindet sich gerade in seinem achten Jahr als Trainer, wobei er insgesamt 411 Partien geleitet hat, von denen er 299 gewann, 70 Mal unentschieden spielte und nur 42 Mal verlor. Das entspricht 72,75 Prozent Siegen und 10,2 Prozent Niederlagen. Die zweieinhalb Spielzeiten beim FC Bayern zusammengerechnet leitete er 122 Spiele, wovon er 92 siegreich gestalten konnte, 14 Mal remis spielte und 16 verlor. Die Prozentzahl der Niederlage ist damit auf 13,1 Prozent gestiegen, ebenso wie die Siege sich mit 75,4 Prozent leicht erhöht haben. Er verliert demgemäß sechs Partien in einer Saison. Die Niederlage vom Dienstag gegen den FC Arsenal war die erste im Rahmen dieser Spielzeit – bei bisher 14 Spielen insgesamt.
Hinsichtlich der Niederlage in London scheint mir aber nicht die Defensive das Relevanteste gewesen zu sein, sondern das Problem, das sich durch die Verletzungen der Offensive für den Rekordmeister ergibt. Er verfügt über fünf Flügelspieler (Arjen Robben, Franck Ribéry, Douglas Costa, Mario Götze und Kingsley Coman) und es ist ein eklatanter Unterschied, ob er zwei einsetzt oder nicht. Als Costa, Götze und Coman spielfähig waren, wirkte das Spiel einfach flüssig, da es weit nach außen gezogen wurde, wodurch Raum für lange Flanken entstand, was wiederum Thomas Müller und Robert Lewandowski – zwei perfekten Abnehmern – in die Karten spielte.
Die Verletzungen der Außenspieler (in Bremen begannen Thiago und Philipp Lahm auf diesen Positionen) verschob Müller ebenfalls ein Stück weiter nach außen, wo er aber einfach nicht über die Fähigkeiten von “Robbéry” oder Costa verfügt – und im Umkehrschluss ein Stück seiner Hilfe im Zentrum verloren geht. Das Resultat dieser Umstände ist, dass Bayern mit nur einem echten Stürmer agiert, den Torriecher von Müller verwässert und damit letzten Endes auch Lewandowskis Potential schmälert.
Schlussendlich spielen sie dadurch bedingt einfach ein Stück schlechter und weitaus weniger effektiv. Das sind die wahren Probleme, denen Guardiola und seine Bayern jetzt gegenüber stehen: Es geht nicht um diese eine singuläre Niederlage, sondern darum für jede Partie zwei der Außenspieler fit zur Verfügung zu haben. Denn mit ihnen auf dem Feld potenziert sich der Erfolg – und ohne sie entstehen immer wieder Schwierigkeiten.
– Bilder: Getty Images
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