"La audacia tiene genio, poder y magia. Comienza ahora, ponte en marcha”. Johann W. Von Goethe
Die Nachricht des Tages war beim Heimspiel gegen Wolfsburg ganz bestimmt der Fünferpack von Joker Robert Lewandowski. Eine vermeintlich wichtigere Nachricht ging dabei fast unter: Das Comeback von Javier Martínez. In Anbetracht von Lewandowskis einmaligem Sahnetag war das zwar logisch, aber Pep Guardiola zauberte die Rückkehr eines seiner fehlenden Puzzleteile ein weiteres Lächeln ins Gesicht – so, wie das in Kürze wohl auch bei Holger Badstuber sein wird.
Martínez ist in der Ära Guardiola einer der Spieler, die am häufigsten fehlten. Der spanische Defensivspezialist kommt in drei Jahren Amtszeit seines Trainers auf 2.394 Einsatzminuten, was 22,7 Prozent der 117 Partien unter der Führung Guardiolas entspricht. Für einen Akteur, den der Coach explizit als Schlüsselspieler deklariert, ist das ein verschwindend niedriger Wert.
In seinem ersten Jahr beim Rekordmeister setzte Guardiola seinen Schützling ein, wo er nur konnte. Martínez spielte mit leichter Sehnenentzündung oder rasch nach seiner Genesung eines Magen-Darm-Infekts. Es wurde sogar ein chirurgischer Eingriff wegen Leistenproblemen verschoben, damit auf Martínez für den Europäischen Supercup gegen den FC Chelsea zurückgegriffen werden konnte (wobei er in der 123. Minute das entscheidende Tor schoss).
Guardiola ließ ihn alle wichtigen Partien bestreiten: Im Pokal-Finale als Stützpfeiler in der defensiven Dreierkette; oder in Dortmund, wo der 27-Jährige im Rahmen nur eines Spieles vier Positionen bekleidete. Wie immer er eingesetzt wurde: Martínez’ Wirken war von Erfolg gekrönt. Trotz häufiger schwerwiegenderer Verletzungen im Laufe der Saison kam Martínez 2013/14 auf 2.199 Einsatzminuten in 34 Pflichtspielen, 20 Mal davon in der Anfangsformation, 14 Mal als Einwechselspieler.
In der zweiten Saison unter Guardiola erlitt er die schwere Knie-Verletzung, von der er sich erst jetzt wieder erholt hat – 13 Monate danach. In ebendieser Zeit konnte Martínez überhaupt nur 195 Minuten auf dem Rasen absolvieren, wobei er zweimal in der Startelf stand und dreimal eingewechselt wurde. Der Spanier verpasste also 73 Prozent der Spiele unter der Regie seines Landsmannes – und Guardiola verfluchte mehr oder weniger jede Minute, in der er notgedrungen auf Martínez verzichten musste.
Warum aber ist der Mittelfeldmann so wichtig für das Konzept seines Trainers? Ganz einfach: Er ist aggressiv, durchschlagkräftig und macht damit seinen Teamkollegen das Leben leichter. So gesehen am Dienstagabend in der Allianz Arena. Als er den Rasen betrat, änderte sich die Präsenz des Teams auf dem Platz. Alleine die Lufthoheit verschob sich schon einmal zugunsten der Bayern.
Bis Martínez den Platz betrat, gewann Bas Dost fünf Luftduelle und setzte sich dabei ein ums andere Mal gegen Jérôme Boateng durch. Mit Martínez auf dem Feld änderte sich das sofort, denn der Spanier gewann alle seine sieben Kopfballduelle, was den Gastgebern in absoluten Zahlen einen Vorteil verschaffte: 17 gewonnene Kopfballduelle zu elf des VfL Wolfsburg.
Martínez’ Dasein verschafft dem Rekordmeister einen weiteren Vorteil, der zwar vielleicht kaum wahrgenommen wird, aber fundamental wichtig ist: Im Zusammenspiel mit Boateng ersetzt er bisweilen Xabi Alonso als Spieleröffner, beispielsweise durch gezielte Pässe in die Tiefe. Für Alonso waren die ersten Monate in der Bundesliga fast schon gemächlich. Seine Gegenspieler bewachten den Spanier nicht übermäßig arg, was ihm in seiner Rolle den nötigen Freiraum verschaffte: Er war der Quarterback. Alonso bekam das Leder von seinen defensiveren Kollegen, kontrollierte es ohne jedes Problem und passte chirurgisch präzise in die Spitze – ob vertikal oder diagonal, um mit beiden Methoden die gegnerischen Linien zu überbrücken.
Erstmals bekam das Schalke 04 zu spüren, als Alonso einen Solo-Gala-Abend erwischte. Logischerweise aber reagierten die Trainer der Kontrahenten und stellten dem Spanier mindestens einen Bewacher zur Seite, was Alonso das Leben ganz schön schwer machte. Dann kam Boateng ins Spiel, der auf annäherndem Niveau für Alonso in die Bresche sprang: Er passte perfekt diagonal (selbst mit dem schwächeren Linken), aber besser noch hatte er es verstanden, auch vertikal viel Strecke zu überbrücken, was oftmals in Quasi-Geschenken für Lewandowski oder Thomas Müller resultieren sollte.
Fast selbstverständlich delegierte Dieter Hecking jetzt am Dienstag immer einen seiner Offensiven nahe an Alonso: Zumeist war das Max Kruse, dessen Bewegungsradius stets um den Mittelkreis herum war, um das zu verhindern, was gegen Bayer Leverkusen eingetreten war: Der gefährliche Pass des „Quarterbacks“ auf Douglas Costa, der den Ball perfekt annehmen konnte und auf Müller zum Tor durchsteckte.
Wolfsburg nahm Alonso durch Kruse fast komplett aus dem Spiel. Der FCB konnte so gut wie keine langen Bälle in die Spitze geben, sodass letztlich nur 5,5 Prozent der Bälle lang gespielt wurden – weniger als die Hälfte als gegen Leverkusen. Ein klarer Verdienst von Kruse.
Als dann jedoch Martínez eben das Feld betrat, änderte sich die Hackordnung. Alonso blieb dank Kruse weiter wirkungslos, während Martínez den Stürmer Dost aus dem Spiel nahm, was wiederum Boateng den Rücken frei machte, um von hinten das Spiel aufbauen zu können (immer bestens unterstützt von David Alaba). Die beiden Letztgenannten hatten dann auch die meisten Ballkontakte auf bayerischer Seite (114 und 112), gaben die meisten Pässe (104 und 106), und Boateng flankte insgesamt sieben Mal erfolgreich nach vorne.
All das wäre ohne die Präsenz und Aggressivität von Martínez nicht möglich gewesen. Jeder staunte über die Gala von Lewandowski und das selten so überrascht gesehene Gesicht von Guardiola. Aber an jenem Abend geschah eben etwas, das für den FC Bayern langfristig wichtiger sein könnte: die stille Rückkehr von Javier Martínez.
* Eurosport.de veröffentlicht diesen Artikel auf 24. September 2015
– Bilder: Imago
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