"Volved a emprender veinte veces vuestra obra, pulidla sin cesar y volvedla a pulir". Nicolás Boileau
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Wann genau hat Josep Guardiola sich entschieden, seinen Dreijahresvertrag beim FC Bayern nicht zu verlängern? Die Antwort ist einfach: Am 17. Dezember 2012. An dem Tag, an dem er eben jenes Arbeitspapier in New York unterschrieb. Drei Jahre und keinen Tag mehr, so ist Guardiola: ein Sonderling, der gerne Verbindlichkeiten eingeht – aber nicht auf Lebenszeit. Eigentlich gehört es zum Geschäft des Profifussballs, dass erfolgreiche Trainer sich gern länger an die Vereine binden, mit denen sie Erfolg haben. Zu besseren Bezügen, versteht sich. Aber Guardiola tickt anders. Er baut lieber über einen begrenzten Zeitraum etwas auf, um dann weiterzuziehen. Guardiola ist ein Wanderarbeiter.
Oft entlassen Klubs ihre Trainer noch vor Vertragsende, so funktioniert diese schnelllebige Branche. Doch Guardiola kehrt diesen Mechanismus um: Er verpflichtet sich immer nur so lange, wie es der ursprüngliche Vertrag vorsieht. Damit macht man sich nicht nur Freunde. Wer so konsequent einen Job beende, dem fehle die Liebe zum Verein – dieser Vorwurf ist dieser Tage häufig zu hören. Manch einer findet, dass sich Hingabe und Treue nur in Jahren messen lassen. Guardiola dagegen definiert seine Arbeit nach anderen Massstäben. Ihm geht es um die Intensität des Wirkens.
Warum sollte einer einen Klub mehr lieben, der sich zu ewiger Treue zwingt, damit dem Verein aber mehr schadet als nützt? Hat die Liebe nicht mehr Effekt, wenn sie kurzweilig, aber umso stärker ist?
Als Guardiola sich 1992 mit dem ersten Landesmeister-Pokal des FC Barcelona den Fans zeigte, geriet die Feier zum politischen Akt. Mit nur 20 Jahren war er der designierte Anführer des Dreamteams von Johan Cruyff. Doch als er merkte, dass sich seine Zeit als Barcelona-Spieler dem Ende zuneigte, ging er lieber freiwillig. Er verließ seine sportliche Heimat, in der er seit dem zwölften Lebensjahr aktiv war und verbrachte seinen Karriereabend bei einem mexikanischen Verein. Dort ging er bei Juanma Lillo in die Lehre, seine zweite große Inspirationsquelle nach Cruyff.
Die Trainerlaufbahn begann Guardiola bescheiden in der dritten Liga. Als er schließlich mit dem Champions-League-Sieg gegen Manchester United 2011 auch als Coach Ruhm erlangt hatte, informierte er Barcelona umgehend, dass nach der kommenden Saison Schluss sein würde. Er ging seinen eigenen Weg. Gegen den Trott, gegen die Konventionen.
Guardiola ist ein Mensch, dem das Gegebene nicht genug ist. Wäre das anders, dann würde er immer noch Barcelona trainieren. Denn sind wir mal ehrlich: Wie naheliegend wäre es gewesen, einfach weiter den Überflieger Lionel Messi in seiner absoluten Blütezeit zu coachen? Ein Team mit lauter Zauberern im Mittelfeld, mit Busquets, Xavi und Iniesta? Guardiola reicht es nicht, einfach das Level zu halten. In dem Moment, als er das beste Team dieser Zeit geformt hatte, möglicherweise sogar das beste in der Geschichte des Fussballs, zog er weiter. Guardiolas Antrieb ist die Veränderung.
Bei seinen Debattierabenden in New York mit Garry Kasparov (noch so ein Querdenker) fand er heraus, dass er sich in Barcelona geirrt hatte: Er hätte den Verein ein Jahr früher verlassen sollen und damit den körperlichen und geistigen Verschleiß vermeiden sollen. Kasparov riet ihm damals:
– Als ich 1986 meinen zweiten WM-Titel gewann, war mir klar, wer mich eines Tages besiegen würde.
– Wer denn?
– Die Zeit, Pep. Die Zeit!
Guardiola nutzte sein Sabbatical in New York zum Nachdenken, zur Fortbildung und zum Innehalten. Dann beschloss er, dass drei Jahre eine geeignete Länge seien, um seine Idee vom Fußball einer Mannschaft überzustülpen und ihr sein Positionsspiel beizubringen. So teilte er es Uli Hoeness an jenem Abend mit, an dem er den Vertrag in seinem Appartment in New York unterzeichnete. Am 17. Dezember 2012.
– Drei Jahre, Uli. Ich verspreche euch drei Jahre.
Guardiola ist nicht immer leicht zu verstehen. Das gilt für viele seiner Entscheidungen, auch im taktischen Bereich. Weit verbreitet ist etwa der Vorwurf, dass er mit den Bayern bisher nicht die Champions League gewonnen hat. Das stimmt, aber selbst zehn weitere Jahre an der Isar brächten ihm keine Garantie. Würde ein Trainer nur daran gemessen, ob er diesen einen Titel holt, dann wäre Roberto Di Matteo eindeutig der Klassenbeste. Er schnappte sich den Pokal ja ausgerechnet gegen die Bayern. In ihrem eigenen Stadion! Auf dem Heiligen Thron für Fußballtrainer sucht man ihn trotzdem vergebens.
Als Hoeness Guardiola zu Bayern lockte, wünschte er sich von ihm zwei Dinge: Guardiola sollte dem Team eine Haltung, eine Spielidentität verpassen; und er sollte nachhaltig für Erfolg sorgen. Guardiola war schnell klar, dass diese Vorstellungen perfekt mit seinen eigenen Zielen zusammenpassten, die er sich nach seiner Zeit in Barcelona gesteckt hatte. Er wollte sich im Alter von 40 Jahren zu einem Architekten des Fußballs entwickeln, zu einem Baumeister. Der FC Bayern dieser Tage verkörpert genau das: Die Spielidee des Teams ist klar erkennbar, der Hunger ungebrochen. Das ist schon jetzt Guardiolas Vermächtnis.
Trotzdem ist es für manch einen schwer zu verstehen, dass er im Sommer nicht mehr weitermacht. Warum verzichtet er darauf, den Höhepunkt seines eigenen Werkes auszukosten? Warum genießt Guardiola nicht den Erfolg, den er sich selbst erarbeitet hat? Die Antwort liegt tief in seinem Wesen: Ihm geht es darum, das Fundament für grosse Bauten zu legen – und nicht darum, in seinen eigenen Schlössern herumzuspazieren oder sie nur zu verwalten. Das können dann andere tun.
Guardiola kapituliert nur vor einem einzigen Widerstand: der Zeit. Und aus diesem Grund hat er sich kurzen Karriereetappen verschrieben, in denen er am Limit schuftet
Diese Herangehensweise erinnert an den tragischen Sysiphos, der immer wieder den Stein aus dem tiefen Schacht hervorrollte. Guardiolas Trainerleben zielt darauf ab, in verschiedenen Schächten immer wieder drei Jahre zu graben, um etwas aufzubauen
Es bleibt die Frage, wohin es Guardiola nach seiner Zeit in München verschlägt, es gibt viele Gerüchte, sogar Gehaltssummen werden schon genannt. Entschieden ist bislang nichts endgültig. Doch es dürfte ein Ort werden, an dem Guardiola abermals nicht nur Erfolg haben kann, sondern den Fussball verändern. Aber noch ist es nicht so weit.
Bilder: Getty Images
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