Carles Planchart ist beim FC Bayern München so etwas wie der hauptverantwortliche Analyst.
Seine Scouting- und Analyse-Einheit beschäftigt sich maßgeblich damit, Gegner unter die Lupe zu nehmen und die eigene Leistung zu bewerten. Alle Daten, die Planchart für relevant erachtet, wandern in ein Archiv, und zwar Spielzüge und Bewegungsabläufe – und das über Mannschaften und einzelne Spieler. Dieses Material stellt Planchart dann regelmäßig seinem Chef-Coach Pep Guardiola zur Verfügung.
So erhält der Trainer direkt nach jeder Partie einen Datensatz, sozusagen zur Nachbetrachtung. Der 44-Jährige kann sich daraus die interessantesten und wesentlichsten Aspekte herausfiltern, auch wenn das Material kurzfristig wohl nicht extrem hilfreich ist, da zumeist binnen drei Tagen schon das nächste Spiel ansteht und Guardiola sich lieber damit befasst, als bereits Abgehaktes zu analysieren.
Aber der Katalane legt die Daten längst nicht ad acta, sondern hebt sie sich auf, um sie sich zu gegebener Zeit in einer Saison wieder hervorzurufen. Wenn er ein bisschen mehr Zeit hat, führt er sich Plancharts Analyse detailliert zu Gemüte und schaut sich einzelne Aktionen en Detail auch individuell mit seinen Schützlingen an.
Planchart und sein Team bereiten aber nach einem Spiel nicht nur Daten über das absolvierte Spiel auf, sondern auch zum nächsten Gegner. Ganz generell betrachtet die Analyse-Einheit im Durchschnitt mindestens fünf bis sechs der letzten Spiele eines jeweiligen Gegners. Noch weiter zurückgehen macht zumeist nicht wirklich Sinn, weil es aus diversen Gründen immer wieder Änderungen gibt: verletzte Spieler, Sperren, taktische Anpassungen und dergleichen. Außerdem verfügt Planchart bereits über einen riesigen Daten-Fundus von den meisten Teams (auf Bundesliga und Champions League bezogen), sodass ein noch größerer Blick in die Vergangenheit nicht nötig ist.
Dennoch unterliegen die Analysen auch profunderen Kriterien. Wenn man zum Beispiel an den FC Arsenal denkt, den nächsten Kontrahenten des FCB, dann ist in der Analyse der Fokus auf die Partien wichtig, in denen Arsenal ähnlich aufgestellt hatte wie es auch am Mittwoch in der Allianz Arena denkbar wäre. Will heißen: Planchart und Guardiola werden die «Gunners» tendenziell zurückgezogen spielend auf dem Schirm haben. Es würde jedenfalls wenig Sinn machen, Schlüsse aus dem letzten Spiel zu ziehen in dem Wissen, dass der nächste Gegner komplett anders spielt.
Die Bundesliga stellt jeden Montagmorgen allen Bundesligisten Bilder vom Spieltag zur Verfügung. Mit «Bilder» sind aber nicht TV-Bilder gemeint, sondern es handelt sich hierbei um Panorama-Aufnahmen, welche die gleichzeitigen Bewegungsabläufe aller 22 Akteure auf dem Feld einfangen. Das ist ein Service der Bundesliga, den es auf europäischer Ebene noch nicht gibt, auch wenn viele Teams, die auf europäischer Ebene spielen, solche Bilder gerne hätten.
Für gewöhnlich unterzieht Guardiola die gegnerischen Spiele, die Planchart herausgesucht hat, einer konkreten, persönlichen Analyse. Beispielsweise war Guardiola am Samstag zu einer kurzen Stippvisite in Barcelona, um seinem alten Freund Johan Cruyff einen Besuch abzustatten, und begann dabei die spezifischen Charakteristika von Arsenal zu studieren – eine Aufgabe, die er am Sonntag daheim fortführte. Sobald Guardiola seine persönlichen Schlüsse daraus gezogen hat, stellt er diese den Ergebnissen der Analyse-Einheit gegenüber, um aus den konsolidierten Ergebnissen einen Handlungsplan zu ersinnen, den er wiederum seinen Schützlingen einige Tage vor dem Spiel beibringt. Über das Spiel vor zwei Wochen hinausgehend fließen diesmal sicherlich auch die Eindrücke mit ein aus den Partien, die Guardiola in der Vergangenheit schon gegen die Mannschaft von Arsène Wenger geführt hat.
Wozu dient all die Analyse? Den Fußball beeinflussen viele Faktoren – und die Analyse ist eine davon. Manchmal nützt all das Analysieren rein gar nichts, weil die Gegner aus taktischen Gründen selbst anders formiert antreten. Oder weil der Zufall eine Rolle spielt und die jeweiligen Gegebenheiten im Laufe einer Partie entscheidend sind. Manchmal ist es aber sehr wohl wichtig, die Analysen durchgeführt zu haben, denn das eröffnet den Spielern selbst ein fundiertes Wissen über den Kontrahenten. Den Gegner bis ins kleinste Detail zu kennen, war immer schon ein probates Werkzeug für eine gelungene Begegnung.
– Bilder: Getty Images
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