Der FC Bayern musste die wirklich wichtigen Aufeinandertreffen auf europäischer Ebene im Frühling diesen Jahres – insbesondere die Begegnungen im Halbfinale gegen den späteren Sieger FC -ohne die Flügelflitzer Arjen Robben und Franck Ribéry bestreiten. Die Absenz dieser beiden Schlüsselspieler war dann auch definitiv das Zünglein an der Waage.
Beim Triple unter Jupp Heynckes waren genau diese beiden absolut entscheidende Protagonisten, vor allem Ribéry mit seiner extremen Geschwindigkeit über außen kommend, seinen Dribblings auf engstem Raum und seiner Fähigkeit tödlicher Pässe (in der Triple-Saison hat er 18 Tore aufgelegt). Als dann Pep Guardiola das Zepter an der Säbener Straße übernahm, legte er wert darauf, dass sein Team vorwiegend in der gegnerischen Hälfte agiert und breit gefächert mit Ribéry und Robben als Spezialisten über die Außenbahnen kommt.
Seine Vorstellungen hatte der Katalane im Juli 2013 wie folgt umrissen: “Wer sind die Spieler bei uns im Team, die kaum zu halten sind? Die Flügelspieler, Ribéry und Robben. Demzufolge müssen wir über außen kommen. Im Zentrum sollte der FC Bayern überlegen sein, aber die Öffnung des Spielfeldes sollte per diagonaler Bälle auf die Außenbahnen funktionieren. Wenn das gesamte Team inklusive der defensiven Abwehrspieler, die nahe der Mittellinie positioniert sein sollten, sehr hoch steht, dann resultiert nahezu jede Aktion in ein Eins-gegen-Eins.
Zwei Jahre und etliche traumatische Verletzungen im Kader später spielt der Rekordmeister eigentlich nun genauso, wie es der Coach bei seiner Ankunft in München skizziert hatte. Die beiden Innenverteidiger am Mittelkreis, drei Mittelfeldspieler, die den Ball entsprechend verteilen und gleichzeitig gegnerische Konter unterbinden und dazu fünf Offensivspieler, die die gesamte Breite des Feldes nutzen.
Insbesondere die beiden Spieler ganz außen sollen die Staffelung der gegnerischen Verteidiger extrem auseinander ziehen. Diese Anordnung jedenfalls erinnert schwer an die Formation einer Pyramide, ein 2-3-5, die bereits 1880 von der Universität Cambridge erklärt wurde – und zwar von Árpád Csanádi in seinem Buch “Fußball, Technik-Taktik-Training.”
135 Jahre später hat Guardiola die Pyramide wieder ins Leben gerufen. Dabei geht es dem 44-Jährigen natürlich nicht darum, irgendwelche Relikte der Fußballgeschichte auszugraben, sondern darum, die Qualitäten seiner Schützlinge möglichst sinnvoll zu nutzen. Durch die Langzeitverletzungen von Robben und Ribéry drängte Guardiola auf die Verpflichtung von Douglas Costa und Kingsley Coman, um das Spiel über die Außenbahnen weiterhin zu gewährleisten. Genau das, was im April und Mai der letzten Saison eklatant gefehlt hatte, und zwar als es um den Titel in der Champions League ging.
Das Spiel über außen ist für den FCB unverzichtbar, denn damit kommen immer wieder Teamkollegen im gegnerischen Strafraum zum Torabschluss und insbesondere Thomas Müller als hängende Spitze profitiert davon. Guardiola hat ein “spielerisches Ökosystem” um seine beiden Offensiven Müller und Lewandowski konstruiert. Als dann die Außenspieler verletzungsbedingt fehlten – wie vor einigen Tagen bei Werder Bremen oder gegen Arsenal – war dieses geschlossene Ökosystem unwirksam und damit weitestgehend auch Müller. Als die Flügelflitzer wieder am Start waren, wie jetzt gegen den 1. FC Köln oder den VfL Wolfsburg (im Pokal), lief das Spiel wieder rund und Müllers Leistung steigerte sich deutlich.
Dabei hat der Trainer aber das pyramidale 2-3-5-System noch nicht wieder reaktiviert. Vor einem Jahr spielte er mit fünf nominellen Stürmern. Noch im März diesen Jahres ließ er gegen Schachtjor Donetsk in der Allianz Arena ebendiese Formation antreten: Fünf Angreifer, Mario Götze und Müller tendenziell außen und Robben und Ribéry tendenziell weiter in der Mitte orientiert. Das Resultat: Ein grandioser 7:0-Kantersieg. Aber an diesem Abend verletzte sich erst Ribéry und wenig später Robben.
Guardiola stand plötzlich ohne seine Flügelflitzer da – und damit ohne seine besten Waffen …
– Bilder: Isaac Lluch & Getty Images
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