Die offensiven Hochkaräter der Bayern sind auch die Gründe, die den Trainer des Rekordmeisters zu einem radikalen Sinnewandel in Bezug auf sein System bewegt haben.
Pep Guardiola hat hinsichtlich seines Verständnisses von Fußball ganz offenkundig einen gewissen Wandel vollzogen: Beim FC Barcelona lag sein Hauptaugenmerk immer auf dem Mittelfeld, wohingegen beim FC Bayern München eher der Sturm im Fokus zu stehen scheint. Während er mit seinem katalanischen Ex-Verein das Klub-WM-Finale 2011 mit einer 3-7-0-Formation bestritt, lässt er den Deutschen Rekordmeister aktuell zumeist im 2-3-5-System auflaufen.
Die eigentliche Ursache für den radikalen Sinneswandel sind die ihm zur Verfügung stehenden Spieler. Barcelona ist seit Jahren schon so etwas wie ein Ausbildungszentrum für Mittelfeld-Spezialisten, während bei Bayern am meisten in den Angriff investiert wird. Warum Guardiola jetzt einen gewissen Wandel vollzieht liegt daher schlichtweg darin begründet, dass er sich den Gegebenheiten anpasst.
Wie schon in einem der letzten Blogs an dieser Stelle geschildert, ließ der 44-Jährige seine Mannschaft zum ersten Mal am 11. März beim 7:0-Kantersieg über Schachtar Donetsk im Rahmen der Champions League mit fünf Stürmern gleichzeitig auflaufen. Dieselbe Formation konnte er danach nicht mehr direkt wiederholen, denn an ebendiesem Tag verletzten sich sowohl Arjen Robben als auch Franck Ribéry, sodass dem Rekordmeister bis zum Rest der Saison eigentlich nur noch drei Angreifer übrigblieben: Thomas Müller, Mario Götze und Robert Lewandowski, wobei letztgenannter gehandicapt mit Carbon-Maske spielen musste. Nach der Sommerpause aber waren die Verletzten weitestgehend wieder fit und die Zugänge von Douglas Costa und Kingsley Coman ließen Guardiola sein Vorhaben weiter vorantreiben.
Gegen den 1. FC Köln konnte dann der 1.000. Bundesliga-Sieg errungen werden und spätestens gegen Olympiakos Piräus kam wieder sein Konzept zum Tragen: zwei Verteidiger, drei Mittefeldspieler, fünf Offensivkräfte – eine Formation, die seit 1880 als «Pyramide“ bekannt ist. Zwischen dem Spiel gegen Köln und dem gegen Piräus stellte der Coach zumeist vier Angreifer auf, z.B. gegen den VfL Wolfsburg im Pokal, den FC Arsenal in der „Königsklasse“ oder den FC Schalke 04 und den VfB Stuttgart in der Bundesliga.
Der Einsatz dieses Spielsystems, das 2-3-5, gehorcht folgenden Grundgedanken: Eine große nominelle Anzahl an Stürmern und viel Ballbesitz; Damit einhergehend die Gewissheit, dass eine Mannschaft wie der FCB größtenteils in der gegnerischen Hälfte agiert, weswegen auch zwei Innenverteidiger vollkommen ausreichend sind; Die Tatsache, dass ein Sechser genügt, der die Bälle angemessen verteilt; Die hohe Qualität der Außenverteidiger (Philipp Lahm, David Alaba oder Rafinha), die sich sehr wohl auch in Richtung Mittelfeld orientieren können, aber gleichzeitig auch gegnerische Konter unterbinden. Wenn Guardiola all diese Faktoren zusammenaddiert, dann ergibt sich quasi zwangsläufig ein 2-3-5-System, vor allem, wenn er immer wieder auf Mannschaften trifft, die sich einigeln. Denn mit diesem Spielkonzept ist immerhin auch eine hohe Tor-Wahrscheinlichkeit gegeben, wie es auch die jüngsten Ergebnisse der Münchner belegen.
Eine Bemerkung aber noch dazu: Guardiola plant nie, mit der Pyramide 90 Minuten lang durch zu spielen. Vielmehr versteht er dieses Konzept als zeitweises Druckmittel, um über einen bestimmten Zeitraum einer Partie den Angriff zu forcieren und die Gegner in die Zange zu nehmen. Wenn es das Ergebnis dann zulässt, wie beispielsweise in den letzten beiden Begegnungen als er das 2-3-5 oder ein 2-4-4 wie gegen Arsenal genutzt hat, nimmt der Coach auch bedachte Änderungen vor.
Ein kleines Detail zum Schluss, auch wenn die Spielsysteme nichts anderes sind als bloße Skizzen auf dem Papier, um die Ideen der Trainer besser zu interpretieren: Die Entwicklung, die unter Guardiola zu beobachten ist, entspricht eigentlich dem Gegenteil der historischen Entwicklung. Der Katalane begann mit einem 4-3-3, worauf ein 3-4-3 folgte. Danach dann wendete er oft ein 4-4-2 an, woraus später entweder ein 4-2-4 oder ein 2-3-3-2 resultieren sollte, um nun beim 2-3-5, der Pyramide, angekommen zu sein. Damit stellt er die taktische Entwicklung der Fußball-Historie gewissermaßen ein Stück weit auf den Kopf.
– Bilder: Isaac Lluch
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